Ein Thema welchem wir uns bisher noch kaum gewidmet haben, welches wir aber als unfassbar wichtig empfinden, ist die Einschränkung des Kontakts mit dem eigenen Elternteil bzw. der Familie. „Darf ich den Kontakt zu meinem Elternteil einschränken oder sogar abbrechen?“ Eine Frage die wahrscheinlich fast jedem schon mal durch den Kopf ging, dessen Elternteil psychisch erkrankt ist – zumindest kennen das bei uns alle aus der #visible Peer-Gruppe.
So saßen wir beim letzten Treffen zusammen und haben unsere Gedanken dazu besprochen. In der Gruppe selber waren tatsächlich ganz viele verschiedene Kontaktformen vorhanden. Von völligem Kontaktabbruch, über phasenweise kein Kontakt, bis hin zu fixen monatlichen Besuchen dafür aber dazwischen kaum Kontakt. Immer nur einfach ist es nicht, insgesamt haben die meisten aber doch einen Weg gefunden, den sie akzeptieren können und der die eigenen Bedürfnisse priorisiert.
Wenn man über die Kontaktbeschränkung mit den Eltern nachdenkt, schwirren einem viele schwere Gedanken im Kopf herum, wie beispielsweise: „Ich lasse meine Eltern im Stich“; „Denken alle rundherum ich bin ein schlechter Mensch?“ oder „Meine Familie wird das nicht akzeptieren“. Hier kommt deswegen eine Liste mit all den Gedanken, die man unserer Meinung nach oft vernachlässigt und die wir euch unbedingt mitgeben wollen:
· Ich mache selber nichts Falsches, nur weil ich Distanz möchte. Ich habe deswegen auch nicht versagt, Im Gegenteil; Ich schaffe es, auf meine Bedürfnisse zu achten.
· Ich weiß, dass ich so etwas nicht leichtfertig machen würde. Eigentlich zeigt mir mein Bedürfnis, wie viel schon vorgefallen ist… und wie lange ich schon über meine eigenen Grenzen hinaus gehe.
· Ich will mich nicht aufgrund der Gesellschaft und irgendwelcher Meinungen über den Stellenwert der Eltern-Kind-Beziehung verbiegen und in Situationen bleiben, die schlecht für mich sind
· Ich muss mich nicht auf eine bestimmte Kontaktform festlegen, welche dann “für immer” gilt – ich kann auch Schritt für Schritt schauen, wie ich mich dabei fühle. Die Kontaktform darf und wird sich ändern.
· Auch wenn es nicht immer einfach zu akzeptieren ist: Mein Kontakt kann keine psychische Erkrankung lindern oder heilen.
· Ein Gefühl von „Ich habe noch nicht alles getan“ wird vielleicht immer ein bisschen bleiben, damit werde ich lernen umzugehen
· Ich bin nicht schuld, wenn ich Abstand brauche. Genauso wie mein Elternteil nicht schuld ist, dass er erkrankt ist.
· Ich darf entscheiden, wann es mir zu viel ist. Wenn meine Eltern das nicht akzeptieren können, ist das deren Thema und nicht meines.
· Ich bin nicht egoistisch, wenn ich auf meine Grenzen achte.
Wir wissen, dass manche Gedanken vielleicht ein bisschen plakativ klingen, aber sie sind unserer Meinung nach alle sooooo wichtig. Vielleicht war ja doch der ein oder andere Gedankenanstoß dabei.
Wenn du darüber nachdenkst, den Kontakt zu deinen Eltern einzuschränken oder abzubrechen, dann kann es super wichtig sein, sich dabei Unterstützung zu holen und darüber zu sprechen. Eine Anlaufstelle dafür kann zum Beispiel das Projekt veRRückte Kindheit sein. Dort gibt es für Kinder von psychisch erkrankten Eltern persönliche, telefonische und auch Online-Beratung. Nähere Informationen findest du hier: https://www.verrueckte-kindheit.at/de/